E-Control: Inlandsversorgung auch ohne Tauerngasleitung gesichert

Wirtschaftliches Umfeld für Gasinfrastrukturprojekte schwierig - TGL hat mögliche Alternativen nicht genutzt

Wie heute bekannt geworden ist, wird der Bau der geplanten Tauerngasleitung (TGL) nicht weiter vorangetrieben. Das Projekt, das mit 1,4 Milliarden Euro budgetiert war, hätte über Oberösterreich, Salzburg und Kärnten eine weitere Verbindung zwischen dem deutschen und dem italienischen Leitungsnetz herstellen sollen. Der Hauptnutzen der neuen Gasleitung wäre vor allem in den Nachbarländern gelegen. „Die Inlandsversorgung ist auch ohne diese zusätzlichen Kapazitäten gesichert“, betont Walter Boltz, Vorstand der Strom- und Gasregulierungsbehörde E-Control. „Der Gasinfrastrukturstandard ist in Österreich zu 233 Prozent erfüllt. Ein maßgeblicher Ausbau des österreichischen Leitungsnetzes mit den damit verbundenen Kosten ist im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld ohne entsprechende Risikoübernahme durch Marktteilnehmer nur schwer durchführbar“, erklärt dazu Walter Boltz.

Erdgashändler nicht zu langfristigen Verpflichtungen bereit

Die im Jahr 2011 von TGL durchgeführte Marktbefragung hat ein überschaubares Interesse der Marktteilnehmer an den zusätzlichen Transportkapazitäten gezeigt, dies wäre aber eine Voraussetzung, um die Wirtschaftlichkeit eines solchen Investments zu gewährleisten und um das Investitionsrisiko nicht auf die bestehenden Kunden zu überwälzen. „Offensichtlich ist der Markt nicht davon überzeugt, dass es in Zukunft einen Bedarf an zusätzlichen Gastransporten zwischen Deutschland und Italien geben wird. Der Gasverbrauch ist in den letzten Jahren europaweit rückläufig, Erdgashändler sind daher derzeit nicht bereit, langfristige Verpflichtungen einzugehen“, erläutert Walter Boltz.

Regulatorische Erleichterungen blieben ungenutzt

Um das Risiko für Investoren zu reduzieren, können Gasinfrastrukturprojekte von der Europäischen Kommission als „Projekte von gemeinsamem Interesse“ auf Grundlage der Infrastrukturverordnung qualifiziert werden. Für solche Projekte besteht einerseits die Möglichkeit, Mittel aus einem EU-Fördertopf zu lukrieren bzw. günstige Finanzierungsinstrumente zu nutzen und andererseits, ist es möglich, dass Investitionskosten von Netzbetreibern anderer EU-Staaten, die von dem Projekt profitieren, mitübernommen werden. Zwar wurde TGL mit maßgeblicher Unterstützung von der E-Control als Projekt von gemeinsamem Interesse ausgewählt, entsprechende Anträge wurden allerdings nicht gestellt. „Die nächste Möglichkeit zur Antragstellung hinsichtlich einer Kostenteilung besteht erst wieder in zwei Jahren“, sagt Boltz.

Kein neuerlicher Ausnahmeantrag eingebracht

Das nationale und europäische Gaswirtschaftsrecht stellt für Verbindungsleitungen zwischen Mitgliedstaaten verschiedenste attraktive Regulierungsinstrumente zur Verfügung. So wäre es möglich gewesen, für das Projekt einen Ausnahmeantrag nach dem Gaswirtschaftsgesetz bei der Regulierungsbehörde einzubringen, um sich etwa von den Entflechtungsbestimmungen (Verkauf von Energie wie Strom und Gas und der Betrieb des Netzes müssen getrennt sein) und anderen Pflichten, vorübergehend freistellen zu lassen. Mit einer solchen Ausnahmegenehmigung hätten die Projektträger E.ON, Energie AG, Salzburg AG, RAG, KELAG sowie TIGAS unverändert bestehen bleiben können und ein gewisser Anteil der Kapazitäten hätte für Investoren reserviert werden können. Die TGL hat zwar bereits im Jahr 2009 einen derartigen Ausnahmeantrag bei der E-Control eingebracht, diesen jedoch zu Beginn des Jahres 2010 wieder zurückgezogen, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine gesetzliche Grundlage für eine Ausnahme von der Entflechtung gab. Diese wurde erst im Jahr 2011 durch das Dritte Energiepaket der EU eingeführt. „Seither hat die TGL aber keinen neuerlichen Ausnahmeantrag mehr eingebracht hat“, sagt Walter Boltz.

Finanzbeteiligung oder Verkauf an unabhängige Dritte als Alternativen

Darüber hinaus hätte die TGL zwei weitere Möglichkeiten gehabt, entflechtungskonform – ohne jeglichen Ausnahmeantrag – zu agieren. Die Projektpartner der TGL hätten sich entweder auf eine Finanzbeteiligung (ohne Ausübung von Gesellschafterrechten) zurückziehen können oder die Gesellschaftsanteile der vertikal integrierten Projektpartner an unabhängige Dritte (etwa Banken, Versicherungen) verkaufen können.

„Angesichts des wirtschaftlichen Umfelds ist die Entscheidung der Gesellschafter der TGL grundsätzlich nachvollziehbar. Dass die Entscheidung jedoch so knapp nach der Aufnahme in die EU-Liste der Projekte von gemeinsamem Interesse und den damit verbundenen Möglichkeiten erfolgt, ist dennoch überraschend, muss aber zur Kenntnis genommen werden“, so Boltz abschließend.