Eine ausreichende Infrastruktur ist eines der zentralen Elemente, um einen europäischen Energiebinnenmarkt verwirklichen zu können. Die Energienetze wurden in der Vergangenheit in Hinblick auf die nationalen Bedürfnisse geplant und waren nicht für den umfangreichen Energieaustausch innerhalb Europas ausgelegt. Neue Entwicklungen, wie z.B. der großflächige Ausbau von Erneuerbaren Energien, wurden bei der Planung der Netze nicht berücksichtigt. Daher ist eine neue europäische Infrastrukturpolitik notwendig, die die Rahmenbedingungen für die notwendigen wesentlichen Investitionen in die Infrastruktur festlegen soll.
Vor diesem Hintergrund wird die Europäische Kommission voraussichtlich am 17. November eine Mitteilung vorlegen, die die Prioritäten im Energieinfrastrukturbereich bis 2020 und 2030 präsentieren wird. Auch dieses Thema soll im Rahmen des Sondergipfels am 4. Februar 2011 von den Staats- und Regierungschefs diskutiert werden â vor allem auch deshalb, da der Vorschlag neue Finanzierungsmodelle für Infrastruktur andenkt und dafür zusätzliche Finanzmittel vonnöten sein werden.
Als Betrag für den Investitionsbedarf bis 2020 im gesamten Energiesystem der EU nennt die Kommission im Entwurf der Mitteilung einen Betrag von einer 1 Billion Euro, wovon 200 Mrd. alleine auf die Strom- und Gasnetze entfallen sollen. Um diese Investitionen erfüllen zu können, ist eine Anpassung des derzeit bestehenden regulatorischen Rahmens auf EU-Ebene notwendig.
Ein weiteres zentrales Thema ist der Bereich der Genehmigungen für die Infrastruktur. In vielen Fällen ist eine mangelnde Infrastruktur, sei es Kraftwerke, Netze, Speicher oder andere Anlagen, nicht auf fehlendes Geld, sondern auf lange Genehmigungsprozesse zurückzuführen. Dies gilt insbesondere für den Strombereich (z.B. Steiermark-Leitung). Da die EU in diesem Bereich allerdings keine Kompetenz hat, ist noch unklar, wie man die angedachten Maßnahmen, wie z.B. eine maximale Verfahrensdauer von 5 Jahren, ein one-stop-shop in Bezug auf die Behördenzuständigkeit, etc., umsetzen will. Eine frühe und effektive Involvierung der Anrainer muss aber nach wie vor sichergestellt werden.
Der geplante Anhang soll alle prioritären Infrastrukturprojekte auflisten. Im Gegensatz zu den bisherigen TEN-E-Projektlisten, die mehrere 100 Projekte vorsah, soll es allerdings in Zukunft nur mehr eine beschränkte Anzahl von konkreten Prioritätsprojekten geben, die bei Bedarf auch mit EU-Finanzmitteln unterstützt werden sollen. Die Kommission geht von einer fehlenden Finanzierung im Ausmaß von ca. 60 Mrd. Euro aus. Um auch Prioritätsprojekte finanzieren zu können, die der Markt selbst nicht finanzieren würde, die aber aus anderen Gründen (z.B. zur Verbesserung der Versorgungssicherheit) notwendig sind, soll ein neues Finanzinstrument geschaffen werden, das das derzeitige TEN-E-Instrument ersetzen soll.
Daneben werden zahlreiche Projekte genannt, die Priorität haben oder bekommen sollen. Dazu zählt auch der Southern Corridor, durch den Gas aus dem Kaspischen Becken, Zentralasien und dem Nahen Osten nach Europa gebracht werden soll. Nabucco ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht mehr explizit genannt. Weitere Prioritäten sind z.B. die Offshore-Windintegration in Nordeuropa, die bessere Verbindung von Ost- und Südosteuropa im Strombereich oder der Ausbau von Nord-Süd-Verbindungen im Gasbereich. Darüber hinaus soll auch dem Thema Smart Grids mehr Aufmerksamkeit zukommen.
Eine der langfristigen Ideen ist die Schaffung von âElectricity Highwaysâ in Europa, die in der Lage sein müssen, den Ãberschuss an Wind in Nordeuropa mit dem steigenden Solarstrom aus Südeuropa, den Speichern in den Alpen und in Nordeuropa und den Verbrauchszentren zu verbinden. Auch die Schaffung eines Transportnetzwerkes für CO2 wird bereits angedacht.