Wann wird die Energiepolitik endlich europäisch?

Neupositionierung der EU-Energiepolitik gefordert - Große Herausforderungen auf dem Weg zum europäischen Energie-Binnenmarkt machen eine Fokussierung auf Einzelbereiche notwendig. Viel Handlungsbedarf besteht in den Bereichen Klimaschutz, Marktmodell und Infrastruktur.

  • Presseaussendung, am 25.6.2014

    E-Control: Wann wird die Energiepolitik endlich europäisch?

    Neupositionierung der EU-Energiepolitik gefordert - Große Herausforderungen auf dem Weg zum europäischen Energie-Binnenmarkt machen eine Fokussierung auf Einzelbereiche notwendig. Viel Handlungsbedarf besteht in den Bereichen Klimaschutz, Marktmodell und Infrastruktur.

Die Probleme der Energiepolitik in Europa sind im Großen und Ganzen Haus gemacht. Sich widersprechende Ziele auf europäischer Ebene, nationale Besonderheiten und Alleingänge machen eine effiziente und effektive Energiepolitik unmöglich.“, argumentieren die Vorstände der E-Control, Walter Boltz und Martin Graf, anlässlich einer Veranstaltung in Brüssel. Und sie plädieren für ein Bündel von Maßnahmen - sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene -, um die europaweiten Ziele - Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – anhaltend erreichen zu können.

Energiesystem im Umbruch

Das europäische Energiesystem ist momentan durch tiefgreifende Veränderungen gekennzeichnet. Dabei stehen energiepolitische Themen vermehrt im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte und der politischen Auseinandersetzung. Das ehrgeizige Projekt „europäischer Energie-Binnenmarkt“ soll planmäßig noch heuer realisiert werden. Auch wenn auf dem Weg dorthin bereits deutliche Fortschritte erzielt wurden, gibt es noch viel Handlungsbedarf: „Die nationalen Energiepolitiken der Mitgliedstaaten haben alle EU-Instrumente zunichte gemacht. Das einzige Instrument, das es gibt, ist der Emissionshandel ETS. Aber auch dieser funktioniert nicht optimal, weil die EU-Mitgliedstaaten jeweils alleine die Bereiche Erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorantreiben und eine gemeinsame Vorgehensweise nicht umgesetzt wird. Vorgegeben sind nur Mindeststandards, die im besten Fall Koordinierungsmechanismen darstellen aber nicht mehr.“

Auf die neue EU-Kommission warten also große Herausforderungen, sowohl was den Strom- als auch den europäischen Gasmarkt betrifft. „Um das europäische Energiesystem an die Anforderungen, die an das System gestellt werden, anzupassen und es zukunftsfit zu machen, ist eine Fokussierung auf wichtige Einzelbereiche notwendig. Der größte Handlungsbedarf besteht in den Bereichen Klimaschutz, Marktmodell und Infrastruktur“, so Walter Boltz.

„Eine auf die Zukunft ausgerichtete europäische Energie- und Klimapolitik muss auch in Abstimmung mit der Wirtschaftspolitik passieren, sie muss leistbar bleiben. Die Vorgaben für die Energie- und Klimapolitik sind gleichzeitig mit einem Industriepaket zu schnüren“, betont Walter Boltz und er ergänzt: „Wenn auf der einen Seite für CO2 bezahlt werden muss, dann sollte es auf der anderen Seite, wenn nötig, zu Entlastungen, z.B. steuerlichen Entlastungen oder gleichzeitig beschlossene Beihilfenrahmen, kommen.“ Auch ein laufendes Benchmarking mit China und den USA mit Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit sei in diesem Zusammenhang wichtig, so Boltz.
„Ineffizienten Maßnahmen im großen Stil können wir uns nicht mehr leisten. Unsere nächsten Schritte müssen effizient und möglichst günstig sein!“ plädiert Walter Boltz.

Fokus Klimaschutz

Die europäische Klimaschutzpolitik fußte bisher auf dem Emissionshandel und gleichzeitig gab es für die Mitgliedstaaten Vorgaben im Bereich Energieeffizienz und Vorgaben für den Anteil an Erneuerbaren Energien. „Dieses extrem teure und nicht zielgerichtete System sowie die Wirtschaftskrise haben dazu geführt, dass die CO2-Preise in den Keller gefallen sind und z.B. Deutschland noch mehr CO2 emittiert als früher. Hier sollte man sich auf die Reduktion von CO2 konzentrieren, ein CO2-Handelssystem mit Mindestpreisen schaffen und die Mitgliedstaaten die Einsparungen durch Energieeffizienz und den Anteil an Erneuerbaren Energien selbst entscheiden lassen“, erklärt Walter Boltz.

Mehr Einheitlichkeit beim Ökostrom

Martin Graf kritisiert vor allem den Wildwuchs an unterschiedlichen Ökostromförderungs-Modellen in Europa. Diese reichen von geförderten Einspeisetarifen über Bonusprämien, Auktionen bis zu Quotensysteme und produzieren unerwünschte Ergebnisse: Fördersysteme, die den Markt verzerren und zu höheren Gesamtbelastungen für die Konsumenten führten und die eine einheitliche EU-Energiepolitik für erneuerbare Energieträger unmöglich machen.

Die Umstellung der Förderung auf Investitionsförderungen würde die Investitionssicherheit, Kostenwahrheit und Marktintegration der Erneuerbaren stark unterstützen. Wie prinzipiell überhaupt bei den Förderungen Skaleneffekte genutzt, und die Kosteneffizienz im Fokus stehen sollte. Gemeinsam mit dringend notwendigen und verbindlichen Energieeffizienz-Maßnahmen, in der alle Primärenergieträger (Mobilität, Wärme, Elektrizität) einbezogen sind, bekäme das Thema Nachhaltigkeit auf EU- und nationaler Ebene neues Gewicht und ein marktfähiges Design.

Und Martin Graf drängt auf eine stärkere Marktorientiertung bei den Erneuerbaren:
"Wir brauchen einen funktionierenden Markt. das heißt, dass wir auf nationaler und europäischer Ebene Verzerrungen durch Einspeisetarife für Erneuerbare Energie, genau so wie Subventionen von konventionellen Energieformen wie beispielsweise Befreiung österreichischer Kohlekraftwerke von der Kohleabgabe abbauen müssen. In eine integrierten funktionierenden Markt brauchen wir faire Wettbewerbsregeln für alle ohne Förderungen".

Ausbau der Infrastruktur

Für das Funktionieren des europäischen Energiebinnenmarktes ist der Netzausbau nicht nur ein wesentlicher Bestandteil, sondern unerlässlich. Bisher war die europäische Infrastruktur, auch mit dem Europäischen Energieinfrastruktur Paket (EIP), nur für einen sehr geringen und kleinräumigen Stromaustausch im System ausgelegt. Zudem kommt, dass ohne die Vorgaben der EU über einen Anteil an Erneuerbaren Energien die Erzeugungskapazitäten in der EU regional künftig viel schlechter verteilt sein werden. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie ein Stromtransportsystem, das Strom über große Entfernungen befördern kann, aussehen muss. Dabei ist ein quer über Europa verlaufendes, leistungsfähiges Stromnetz, das die wichtigsten Erzeugungs- und Verbrauchszentren miteinander verbindet, anzudenken“, erklärt Walter Boltz.

Versorgungssicherheit im Fokus

Und Martin Graf ergänzt: „Versorgungssicherheit hängt stark mit dem Thema günstige Preise und Nachhaltigkeit zusammen. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energie sind Investitionen in leistungsstarke, intelligente Netze nötig, um die Netzstabilität nicht zu gefährden und zukünftig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Man sollte auch darüber nachdenken dürfen darüber, ob es aus netztechnischer Sicht systemrelevante Kraftwerke gibt und wie man mit ihnen in einem liberalisierten Energiemarkt umgeht.“
Und er regt an, in Europa und Österreich die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, um den Ausbau nicht zu gefährden. Durch die Schaffung eines „One-Stop-Shop“ für Umweltverträglichkeitsprüfungen inklusive klaren Entscheidungs-fristen und Anlagengenehmigungen für prioritäre Netzprojekte, könnte hier viel erreicht werden.
Aber auch bei den Finanzierungsinstrumenten müssten neue, innovative und intelligente Wege gefunden werden. „Allein in Österreich müssen bis 2020 rund 8,7 Milliarden Euro in die Netze investiert werden. Hier braucht es neues Denken in großem Stil“, erklärt Graf. Die Europäische Investitionsbank (EIB) sei auf diesen Zug aufgesprungen und biete auch neue Instrumente für die Infrastrukturfinanzierung an. Jetzt liege es an den Energieunternehmen, diese Möglichkeiten auch im Sinne der Konsumenten zu nutzen.