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Netzentgeltstrukturen – ein Blick nach Europa

In den vergangenen knapp 20 Jahren der Regulierung der Stromnetze in Österreich hat sich an der Netzentgeltstruktur wenig verändert. Das ist jetzt anders. Aufgrund geänderter energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist die bestehende Netzentgeltstruktur zu überprüfen. Das Verbrauchsverhalten der Netzbenutzer ändert sich, neue Anwendungen wie die Elektro-Mobilität kommen hinzu, das Aufkommen von vermehrt volatilen Energieaufbringungsformen wie Photovoltaik und neue Möglichkeiten durch Batteriespeicher machen es notwendig, die Netzentgeltstrukturen an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Voraussetzung dafür sind aber Smart Meter, die in Österreich in den kommenden Jahren flächendeckend installiert werden

Vorschläge zur Anpassung der Netzentgeltsystematik an das veränderte Stromsystem in unserem Positionspapier

Wir haben diese Entwicklungen bereits frühzeitig erkannt und daher schon vor einiger Zeit einen Prozess zur Weiterentwicklung der Netzentgeltstruktur für den Stromnetzbereich gestartet. In ihrem Positionspapier zu eben dieser Weiterentwicklung der Netzentgeltstruktur für den Stromnetzbereich („Tarife 2.0“)1  wurden dazu Vorschläge zur Modernisierung und Anpassung der bestehenden Netzentgeltsystematik an das veränderte Stromsystem ausgearbeitet und veröffentlicht. Wir sind mit diesem Thema aber nicht alleine in Europa. Vielmehr stehen eine Fülle anderer europäischer Länder vor denselben Herausforderungen und arbeiten ebenso an einer Neugestaltung ihrer Netzentgeltstrukturen. Dies war für uns Anlass, einen Blick nach Europa zu werfen und uns anzuschauen, welche Pläne es in anderen Ländern zu Änderungen der Netzentgeltstrukturen gibt.  

Ausrollung von intelligenten Messgeräten Anlassgeber 

Von den derzeit 282  EU Mitgliedstaaten geben 15 Länder an, bis 2020 großflächig Smart Meter ausgerollt zu haben3.  Das bedeutet, dass 80% der derzeit nicht gemessenen Kunden mit einer neuen Zählertechnologie ausgestattet wird. Viele dieser Staaten nutzen die technischen Möglichkeiten der intelligenten Messgeräte, um nun die Netzentgeltstruktur auf eine verursachungsgerechtere und fairere Bepreisung umzustellen. Wir haben uns einige Länder, die mit dem Smart Meter Rollout schon weit fortgeschritten sind, im Detail angesehen und die jeweiligen Pläne für künftige Netzentgeltstrukturen analysiert: Norwegen, Luxemburg, Italien, Niederlande und Deutschland.

Österreich auf gutem Weg

In unserem Positionspapier Tarife 2.0 ist ein zentraler Änderungsvorschlag beim Netznutzungsentgelt zu finden, also jener Komponente, die rund drei Viertel der gesamten Netzkosten abdeckt. Hier wird wie in anderen Ländern eben auch, die flächendeckende Einführung eines leistungsbezogenen Entgeltes empfohlen. Derzeit besteht das Netznutzungsentgelt für nicht gemessene Kunden auf der Netzebene 7 (Haushalt und Kleingewerbe) aus einer Arbeitskomponente und einer Pauschale, die jährlich zu bezahlen ist. Vorgeschlagen wird nun neben der Arbeitskomponente auch die Einführung einer Leistungskomponente. Die Höhe des Leistungspreises sollte dabei so gewählt werden, dass es zu keinen Kostenverlagerungen für einen typischen Haushalt kommt. Das bedeutet, dass zumindest einmal pro Monat der höchste Viertelstundenwert mittels Smart Meter ermittelt und an den Netzbetreiber übertragen werden muss.

Grundsatz der Gleichbehandlung steht im Vordergrund

Die leistungsbezogene Entgeltverrechnung wird jetzt schon für alle Gewerbe und Industriekunden angewandt. Hier ist allen voran der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Systembenutzer, der Kostenorientierung und weitestgehenden Verursachungsgerechtigkeit zu nennen. Weiters soll auch sichergestellt werden, dass durch die Netzentgelte elektrische Energie effizient genutzt wird. Eine leistungsorientierte Abrechnung nach Viertelstundenwerten entspricht diesen Grundsätzen deutlich besser, als eine pauschalierte Verrechnung. 

Haushalte profitieren

Erste Analysen mit Smart Meter Testdaten zeigen, dass sehr viele Haushaltskunden (und hier insbesondere Kleinkunden) von so einer Tarifumstellung profitieren werden. Generell hätte ein Großteil der Haushaltskunden (knapp 90%) keine großen Änderungen zu erwarten. Das bedeutet, dass diese Nutzer im Jahr nicht mehr oder weniger als 20 Euro im Vergleich zum jetzigen Netznutzungsentgelt zu bezahlen hätten. Andererseits würden Kunden, die das Netz sehr stark belasten, das heißt, sehr große Leistungsspitzen verursachen, die über normale Hausanwendungen hinausgehen, mehr zahlen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diese Kunden mit dem jetzigen System profitieren. Wie anhand der Beispiele aus anderen europäischen Ländern erkennbar, sind diese Feststellungen auch anderen Regulatoren aufgefallen. Unser Vorschlag der geht daher in dieselbe Richtung wie die präsentierten Beispiele. 

Alle Länder, die wir analysiert haben, stehen vor den gleichen oder ähnlichen Herausforderungen. Anpassungen in der Netzentgeltstruktur sind aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen und der sich ändernden Energiewelt unerlässlich. Die Leistung, die aus dem Netz bezogen wird, wird künftig einen größeren Wert haben als dies in der Vergangenheit der Fall war. Daher könnte künftig das Thema relevant werden, wie viel ich gleichzeitig und wann aus dem Netz entnehme. So war es bisher egal, ob jemand im Extremfall eine Wärmepumpe, eine Sauna, den Herd, den Trockner zur gleichen Zeit eingeschaltet hat und auch noch das Elektroauto in der Garage auflädt. Künftig soll der Preis auch abbilden, wie stark man das Netz belastet. Gleichzeitig muss man natürlich darauf achten, dass es zu keinen Nachteilen bei den Kleinverbrauchern kommt. Wir sind davon überzeugt, dass uns mit dem Konzept Tarife 2.0 ein ausgewogener und praktikabler Vorschlag für eine neue Netzentgeltstruktur gelungen ist.


Annex: 

Kostenauswirkungen auf Haushalte durch einen leistungsgemessenen Tarif 

Vorschlag Tarife 2.0 zusammengefasst 

Quellen:

  • BMWI 2019, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Regulierung der Netzentgelte, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/wettbewerb-energiebereich-4.html, letzter Abruf: 18. Februar 2019. 
  • E-Control 2017, E-Control Positionspapier zur Weiterentwicklung der Netzentgeltstruktur für den Stromnetzbereich („Tarife 2.0“), https://www.e-control.at/marktteilnehmer/strom/netzentgelte/tarife-2-0, letzter Abruf: 18. Februar 2019.
  • Eriksen 2018, Regulatory experiences: From volumetric- to capacity based tariffs, NVE - Norges vassdrags- og energidirektorat, CEER Workshop on network Tariffs, Präsentation, 19. Oktober 2018. 
  • ILR 2018, Institut Luxembourgeois de Régulation, Sustainability Electricity Network Tariff Structure for the Transformation of the Energy System, Präsentation, 29. Juni 2018
  • Lo Schiavo et al 2018, Capacity -based network tariffs for Italian electricity households, ARERA - Regulatory Authority for Energy, Networks and Environment, CEER Workshop on network Tariffs, Präsentation, 19. Oktober 2018.

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1 E-Control 2017. https://www.e-control.at/marktteilnehmer/strom/netzentgelte/tarife-2-0
2 Inkl. Großbritannien.  
3 https://ses.jrc.ec.europa.eu/smart-metering-deployment-european-union; Letzte Aktualisierung 22.1.2019.