Zahlungen für Bereithalten von Kraftwerken in Österreich nicht nötig

Kapazitätsmechanismen für Regulator „lupenreine Beihilfen“ – Zahlen müssten die Verbraucher – Laut Studie Versorgung in Österreich bis 2030 sicher

In Österreich seien Zahlungen für das Bereithalten von Kraftwerken nicht nötig, betonte Walter Boltz, Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control, heute auf einem Pressegespräch in Wien. Durch die niedrigen Stromgroßhandelspreise rechnet sich der Betrieb fossiler Kraftwerke derzeit häufig nicht, wie etwa die beabsichtigten Schließungen bzw. Stilllegungen von drei konventionellen Verbund-Kraftwerken in Österreich zeigen. Konventionelle Kraftwerke spielen aber für die Stabilität des Stromnetzes eine wichtige Rolle, da sie zuverlässig und flexibel Strom erzeugen können, wenn Sonnen- und Windkraft witterungsbedingt gerade zu wenig Strom liefern. In Deutschland wird daher zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit über die Einführung von Kapazitätsmechanismen, mit denen Kraftwerke für das bloße Bereitstellen von Leistung bezahlt werden, diskutiert. In Österreich sei die Situation anders, verdeutlichte Boltz. „Österreich verfügt über ausreichend Stromerzeugungskapazitäten. Für Kapazitätszahlungen besteht bei uns keine technische Notwendigkeit.“

Boltz: „Zeche zahlen die Verbraucher“

Auf Grund der hohen installierten Kraftwerksleistungen sind in Österreich bis 2030 keine Probleme bei der Stromversorgungssicherheit zu erwarten, wie aus einer im Frühjahr fertiggestellten Studie des schwedischen Beratungsunternehmens SWECO im Auftrag mehrerer europäischer Regulatoren, Stromerzeuger und Übertragungsnetzbetreiber hervorgeht. „Die Einführung von Kapazitätszahlungen in Österreich wäre daher eine lupenreine Beihilfe für die betroffenen Kraftwerksbetreiber“, sagte Boltz. Für die Kosten dieser Förderungen müssten letztlich die Stromkunden aufkommen. „Die Zeche zahlen die Verbraucher“, so Boltz. Bei Einführung eines europaweiten Kapazitätsmarktes könnten die Kosten für das gesamte heimische Stromsystem um 20 Prozent steigen, wie die SWECO-Studie besagt. Die Kosten für einen österreichischen Durchschnittshaushalt würden ebenfalls deutlich steigen.

Grenzüberschreitenden Stromhandel verstärken

„Es gibt bessere und kostengünstigere Möglichkeiten, die Stromversorgung zukünftig sicherzustellen“, ist Boltz überzeugt. So könnte etwa der grenzüberschreitende Austausch von Strom weiter forciert werden. „Ziel ist es, dass Länder, die gerade zusätzliche Energie benötigen, auf Erzeugungskapazitäten von Nachbarländern zurückgreifen können“, sagte Boltz. Deutschland macht dies jetzt schon und hat sich etwa in Österreich Erzeugungskapazitäten („Stromhilfe“) gesichert.

Europaweite Koordination nötig

Boltz wünscht sich beim Thema Kapazitätsmechanismen eine europaweit abgestimmte Vorgehensweise. „Nationale Alleingänge sind der falsche Weg. Die Zeiten, als sich jedes Land als abgeschiedene Strominsel betrachtet hat und getan hat, was es wollte, sollten vorbei sein“, sagte Boltz. „Jedes Land muss sich bewusst sein, dass Regelungen zu Kapazitätsmechanismen einschneidende Auswirkungen auf die Nachbarländer haben“, bekräftigt Boltz seinen Wunsch nach einer stärkeren Koordination in Europa.

Bis 2020 in Europa keine neuen konventionellen Kraftwerke nötig

Bis 2020 ist es in Europa nicht nötig, neue konventionelle Kraftwerke zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit zu errichten. „Die nächsten fünf Jahre sind kein Problem, bis dahin kommen wir mit dem bestehenden Kraftwerkspark aus“, sagte Studienautor Niclas Damsgaard vom Beratungsunternehmen SWECO. Als Anreiz für den Bau neuer Kraftwerke sind Kapazitätsmechanismen daher nicht notwendig. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass einige fossile Kraftwerke aufgrund der derzeitigen Marktsituation ihren Betrieb einstellen. „Das ist aber zu bewältigen“, so Damsgaard. Erhebliche Investitionen in Kraftwerke (Modernisierung, Ausbau, Neubau) sind von 2020 bis 2030 nötig, da viele Kraftwerke bis dahin das Ende ihrer Nutzungsdauer erreichen. Ob die in diesem Zeitraum nötigen Investitionen finanziert werden können, hänge davon ab, wie hoch zu dieser Zeit die Stromgroßhandelspreise sind. „Seriös vorhersagen kann das niemand, aber viele Experten gehen davon aus, dass die Stromgroßhandelspreise dann wieder höher sein werden“, betonte Damsgaard.

Kapazitätsmechanismen könnten falsche Investitionsanreize setzen

Kapazitätsmechanismen, die lediglich die Vorhaltung von Kraftwerksleistung abgelten, würden Investitionen stark verzerren, geht aus der Studie hervor. „Es fließt mehr Geld in den Ausbau von Kraftwerken und weniger Geld in den Ausbau von Netzen“, erklärte Damsgaard. Insbesondere Investitionen in grenzüberschreitende Stromleitungen würden weniger rentabel. Wünschenswert wäre aber, dass Investitionen in Kraftwerke und Netze gleich behandelt werden. „Kapazitätsmechanismen bergen die Gefahr, falsche Investitionsanreize zu setzen“, sagte Damsgaard. „Einzig viele konventionelle Kraftwerke zu haben, macht keinen Sinn, man braucht auch leistungsfähige Leitungen.“ Es benötige nicht jedes Land einen riesigen fossilen Kraftwerkspark, um sich zu jeder Zeit autark mit Strom zu versorgen. Vielmehr sollten die Möglichkeiten eines grenzüberschreitenden Austausches von Strom bestmöglich genutzt werden.

Verbraucher könnten für Fehlinvestitionen der Stromerzeuger zahlen

Je nach Ausgestaltung der Kapazitätsmechanismen könnten durch deren Einführung Verbraucher für Fehlinvestitionen von Stromerzeugern bezahlen, warnt E-Control-Vorstand Walter Boltz. Kapazitätszahlungen seien eine Vergesellschaftung unternehmerischen Risikos, die verhindert werden müsse. „Es ist das Risiko jedes Unternehmens auf welche Produkte es setzt – ob es Gaskraftwerke baut oder Ökostromanlagen. Dieses Risiko müssen die Unternehmen selbst tragen und nicht durch Kapazitätsmechanismen auf die Konsumenten übertragen“, so Boltz abschließend.